Eine neue Ära
Kaum ein Bauunternehmen in Deutschland kann auf eine so lange Firmengeschichte zurückblicken wie Wayss & Freytag. Unternehmergeist, Weitblick und visionäre Tatkraft stehen zu Beginn der technologischen Entwicklung ohne die große Brücken, Hochhäuser und Industriebauten nicht zu realisieren wären. Dabei begann die Erfolgsgeschichte relativ schlicht: Mit Blumenkübeln und einer Hundehütte.
Gründung
Gründung
Nicht nachlassen zwingt!
Conrad Freytag und sein Schwager Carl Heidschuch gründeten am 15. Juni 1875 die Offene Handelsgesellschaft Freytag & Heidschuch mit Sitz in Neustadt an der Haardt (heute an der Weinstraße). Die Geschäftsfelder des jungen Unternehmens waren zunächst auf den Handel mit Baumaterialien (Villeroy & Boch, Heidelberger Zement, Stuttgarter Gipswerke) und die Produktion von Zementröhren beschränkt. Bald nach der Gründung wurden aber auch Bauaufträge abgewickelt, vornehmlich Betonkappen in Kellergewölben, Fundamente aus Stampfbeton, Kellerabdichtungen, Boden- und Bürgersteigbeläge und Zementestriche.
Conrad Freytag wurde am 7. August 1846 als Sproß einer pfälzischen Bauernfamilie in Lachen bei Neustadt geboren. Nach einer Lehre im Brauereifach übersiedelte er nach Neustadt, wo er 1871 in der Talstraße ein Wohn- und Geschäftshaus errichten ließ, das bis zum Umzug 1925 Sitz der Hauptverwaltung seines Unternehmens sein sollte. Conrad Freytag hat das Unternehmen mit viel Fleiß, Zielstrebigkeit und Umsicht geführt. Sein Wahlspruch „Nicht nachlassen zwingt!“ ist auch heute noch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verpflichtung.
Da Carl Heidschuch, der für den Baustoffhandel zuständige Partner, bereits 1891 in noch jungen Jahren starb, blieb sein Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens nicht so prägend wie der des „Übervaters“ Conrad Freytag.
Frühe Geschäftsfelder
Frühe Geschäftsfelder
Gips, Zement und Pferdekrippen
Um 1880 firmierte das Unternehmen Freytag & Heidschuch bereits als „Cementröhrenfabrik“ und „Baumaterialienhandlung“. Neben der Ausführung von Betonbauten und Kanalarbeiten wurde nach wie vor noch mit Baumaterialien gehandelt, insbesondere mit Gips, Ton und Portlandzementen, aber auch mit Bürgersteigplatten, Springbrunnen und Pferdekrippen.
Das Unternehmen, zunächst nur im Großraum Neustadt a. d. Haardt tätig, nahm aufgrund großer Nachfragen vermehrt Aufträge aus allen Teilen der Pfalz entgegen und expandierte in die benachbarten Länder Hessen, Baden-Württemberg und Elsass-Lothringen.
Freytag erwirbt das Monier-Patent
Conrad Freytag erwirbt das Monier-Patent
Ein Pfälzer in Paris
Auf einer Geschäftsreise hatte Conrad Freytag 1884 in Trier die dort ausgestellten mit Drahtgeflecht bewehrten Wasserbehälter und Geschossdecken des Joseph Monier gesehen. Im September des gleichen Jahres reiste er mit seinem Offenbacher Geschäftspartner Josseaux zu Monier nach Paris und erwarb die Rechte an dem deutschen Monierpatent vom 22. 12. 1880 für Süddeutschland und das Vorkaufsrecht für Norddeutschland. Dieses Vorkaufsrecht trat er 1885 unentgeltlich an den Frankfurter Ingenieur und Unternehmer Gustav Adolf Wayss ab.
Joseph Monier (1823 – 1906), ein französischer Gärtner, erkannte 1867, dass die von ihm hergestellten Blumenkübel aus Zement sehr viel haltbarer waren, wenn man sie mit einem mittig eingestellten Drahtgeflecht verstärkte. Seine Entdeckung meldete er im gleichen Jahr zum Patent an. Bei der Patentschrift, insbesondere den Zusatzpatenten, muss ihm offensichtlich fachlicher Beistand zuteil geworden sein, denn er selbst hatte die revolutionäre Tragweite seines Verfahrens nicht erkannt. Monier verstand sich auch nicht als Eisenbetonbauer, sondern als „Rocailleur en ciment“, als Zementbildner plastischer Formen.
Weitere Zusatzpatente:
- 04. 07. 1868: Zur Herstellung von Röhren aus eisenbewehrtem Zement
- 02. 09. 1869: Zur Herstellung ebener Platten
- 13. 08. 1873: Zum Bau von Brücken und Stegen
- 27. 07. 1875: Zur Herstellung von Treppen
- 14. 08. 1878: Balken aus eisenbewehrtem Beton
Der guten Ordnung halber sei gesagt, dass vor Monier schon Coignet (1838: Bewehrung von Betondecken), Wilkinson (1854: Eisenbeton-Verbunddecken) und Lambot (1855: Eisenbewehrte Schiffsplanken) Patente für Eisenbetonkonstruktionen angemeldet hatten.
Am Anfang war die Hundehütte
Am Anfang war die Hundehütte
Die Geburtsstunde des Stahlbetons
Das erste von der Firma Freytag & Heidschuch oHG hergestellte Bauwerk in Stahlbetonbauweise war eine Hundehütte für Firmenhund Flock. Mit diesem versuchsweise gefertigten Produkt nach dem kurz zuvor erworbenen Monier-Patent, konnte die Theorie erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden.
Conrad Freytags Hundehütte – ein letztes Exemplar ist heute im Deutschen Museum in München ausgestellt - ist zwar nicht unbedingt typisch für die nachfolgende, rasante Entwicklung der neuen Bauweise „Eisenbeton“, die Fabrikation gilt aber dennoch als Geburtsstunde des Stahlbetonbaues in Deutschland.
Freytag trifft Wayss
Conrad Freytag trifft Gustav Adolf Wayss
Im „Pfälzer Hof“ in Ludwigshafen
Gustav Adolf Wayss wurde am 16. Oktober 1851 in Mühlhausen an der Enz geboren. Er war Sohn eines Bauunternehmers und studierte folgerichtig Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Nach Tätigkeiten im württembergischen Eisenbahndienst und als Bauleiter beim Bau des Gotthardtunnels gründete er in Frankfurt am Main mit dem Betonunternehmer Diss die Firma Diss & Wayss.
1885 traf sich Wayss im „Pfälzer Hof“ in Ludwigshafen mit Conrad Freytag und Carl Heidschuch, die ihm kostenlos das Monierpatent für Norddeutschland überließen. Zu dessen Vermarktung übersiedelte Wayss nach Berlin und gründete dort die Baufirma G. A. Wayss & Cie, die er nach dem frühen Ausscheiden von Diss ab 1889 als Aktiengesellschaft für Monierbau alleine weiterführte. Am 1. Februar 1890 erwarb Wayss die Freytag & Heidschuch oHG, die Conrad Freytag am 1. Februar 1893 zurückkaufte. Wayss verblieb bis 1903 im Unternehmen, um sich dann nach Österreich zurückzuziehen.
. A. Wayss war zeit seines Lebens ein unruhiger Geist, der stets nach neuen technischen Möglichkeiten und Geschäftsfeldern suchte. Seine Stärke lag in der Organisation und obwohl Ingenieur, war er mit einem klaren Blick für kaufmännischen Erfolg ausgestattet. Seiner Rastlosigkeit und Geschäftigkeit hat der Stahlbetonbau in Deutschland viel zu verdanken. Wayss starb am 19. August 1917 in Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich.
Die Betriebskrankenkasse
Die Betriebskrankenkasse und das gestaffelte Tagegeld
Hoffentlich W&F – versichert!
Zur Zeit der Unternehmensgründung war die soziale Absicherung eines Arbeitnehmers in Deutschland für unser heutiges Verständnis unvorstellbar schlecht. Die Arbeitszeit betrug 10 – 12 Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche und dies für einen Jahreslohn für 650 Mark. Bei Krankheit oder schlimmer, einem Unfall mit nachfolgender Invalidität, gab es keine Lohnfortzahlung. Arbeitslosigkeit und Alterssicherung waren gesetzlich nicht abgesichert. Dies änderte sich erst mit Einführung der Bismarckschen Sozialgesetzgebung.
Am 30. April 1887 gründete die Freytag & Heidschuch oHG eine Betriebskrankenkasse, die auch ab 1900 in der nachfolgenden Aktiengesellschaft Bestand hatte und in der die Lohnfortzahlung bei Krankheit geregelt wurde. Zur Bemessung des Krankengeldes wurden die Kassenmitglieder in fünf Klassen eingestuft, wobei die Klasse von der Höhe des Verdienstes abhängig war. Wer der höchsten Klasse angehörte, bekam bei Krankheit ein Tagegeld von 4,50 Mark, ein der V. Klasse Zugehöriger erhielt nur 2,00 Mark täglich.
Die Monier-Broschüre
Die Monier-Broschüre
Berliner Belastungsversuche helfen dem Stahlbeton zum Durchbruch
Im Winter 1886/87 wurde von den in dieser Zeit noch getrennt operierenden Unternehmen Freytag & Heidschuch oHG, Neustadt a. d. Haardt, und G. A. Wayss & Cie, Berlin, in Berlin umfangreiche Belastungsversuche an bewehrten Betonkonstruktionen vorgenommen. Untersucht wurden:
- ein eisenbewehrtes Gewölbe mit 4,50 m Stützweite und 5 cm Scheiteldicke,
- ein eisenbewehrtes Gewölbe mit 8,00 m Stützweite und 5 cm Scheiteldicke,
- eisenbewehrte Deckenplatten unterschiedlicher Stützweite und Dicke,
- eine Wand mit 3,50 m Stützweite, 3,50 m Höhe und 3 cm Dicke,
- runde und eiförmige Röhren und
- elliptisch ansteigende Geländebögen für Treppen.
Die Probebelastungen erfolgten bis zum Bruch, wobei jede einzelne Laststufe gemessen und aufgezeichnet wurde. Alle Versuche wurden in Gegenwart einer großen Anzahl interessierter Ingenieure und Architekten und unter Aufsicht der Baupolizei durchgeführt. Die Versuchsergebnisse veröffentlichte Wayss 1887 in der sogenannten Monier-Broschüre unter dem Titel:
„Das System Monier (Eisengerippe mit Zementumhüllung) in seiner Anwendung auf das gesamte Bauwesen.“
Dieses 128 Seiten umfassende Werk ist die Grundlage für die Verbreitung und Weiterentwicklung des Stahlbetonbaues in Deutschland. Neben der Beschreibung der Zement-Eisenkonstruktionen und der Ergebnisse aus den Belastungsversuchen enthält das Buch auch noch einmal die schon ein Jahr zuvor von Matthias Koenen veröffentlichten theoretischen Grundlagen. Von der Monier-Broschüre wurde 10.000 Exemplaren gedruckt und der Fachwelt kostenlos zur Verfügung gestellt.
Matthias Koenen
Matthias Koenen
Theoretiker, Praktiker und Visionär
Matthias Koenen (1848 – 1924) gilt als der geistige Vater des Stahlbetonbaues in Deutschland. Nach einem Studium von 1868 – 1872 an der Berliner Bauakademie, der späteren Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, war er als Regierungsbauführer zunächst bei der Eisenbahnverwaltung, dann für die Wasserbauverwaltung tätig. 1879 bestand er die zweite Staatsprüfung und wurde zum Regierungsbaumeister ernannt. Koenen arbeitete als Zivilingenieur und erwarb sich früh einen Ruf als hervorragender Konstrukteur und Statiker. Sein Wissen gab er in Vorlesungen und frühen Veröffentlichungen weiter.
1884 beauftragte ihn die Bauverwaltung, die Bauleitung für den Rohbau des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin zu übernehmen. Bei dieser Tätigkeit machte er Bekanntschaft mit G. A. Wayss, der ihn nach Abschluss der Bauarbeiten am 1. Juli 1888 als Technischen Direktor in sein Unternehmen Wayss & Cie holte. Schon am 20. November 1886 hatte Koenen die Berechnung bewehrter Platten im Centralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht – die erste theoretische Abhandlung über die Wirkungsweise des Stahlbetons in Deutschland überhaupt -, wobei er die Aufnahme der Zugkräfte den Bewehrungsstäben zuordnete, die neutrale Achse aber fälschlicherweise in Plattenmitte legte. Diese grobe Vereinfachung korrigierte er 1902 in seiner Schrift: „Grundzüge für die statische Berechnung der Beton- und Eisenbetonbauten“.
Koenen leitete im Auftrag der Baupolizei die Berliner Versuche von Conrad Freytag und G. A. Wayss im Winter 1886/87 und er gilt als der eigentliche Verfasser der Monierbroschüre. Mit Rücksicht auf seine Anstellung im Staatsdienst hat er aber nur das Kapitel über die „Theorie einiger wichtiger Konstruktionen nach System Monier, Metallgerippe mit Cementumhüllung“ mit seinem Namen unterzeichnet.
Mattias Koenen übernahm nach dem Ausscheiden des rastlosen Wayss 1893 für mehr als 30 Jahre die Leitung des Unternehmens, das fortan als Beton- und Monierbau AG firmierte. Er hat großen Anteil an der Entwicklung und stürmischen Verbreitung des Stahlbetonbaus in Deutschland. In seiner 1907 erschienenen Schrift „Wie kann die Anwendung des Eisenbetonbaus in der Eisenbahnverwaltung wesentlich gefördert werden?“ findet sich ein früher Vorschlag der Spannbetonbauweise.
Die Wayss & Freytag oHG
Die Wayss & Freytag oHG
Spezialität Monierbauten
Ende 1893 kauften Conrad Freytag und G. A. Wayss, der bei der Beton- und Monierbau AG ausgeschieden war, die Firma Freytag & Heidschuch rückwirkend zum 1. Februar 1893 zurück. Da Carl Heidschuch 1891 verstorben war, wurde Conrad Freytag mit der alleinigen Unternehmungsleitung der neuen Wayss & Freytag oHG betraut. Mit dem Rückkauf konnten die Niederlassungen Stuttgart, München und Luxemburg dem Stammhaus in Neustadt an der Haardt angegliedert werden, ebenso eine zuvor in Mannheim – Neckarau gegründete Röhrenfabrik.
Zu den traditionellen Geschäftsfeldern kamen die eisenbewehrten Konstruktionen, im Briefkopf „Spezialität: Monierbauten“ genannt, hinzu. Hauptsächlich wurden Behälter, Deckenplatten, Treppenläufe, Gewölbe und Brücken mit Spannweiten bis zu 39 m hergestellt, wie einem 1895 erschienenen Geschäftskatalog zu entnehmen ist, der einen Überblick über den Stand der Stahlbetonbauweise in dieser Zeit vermittelt.
1896 wurde Otto Meyer, ein Schwiegersohn Conrad Freytags, Teilhaber und mitverantwortlicher Leiter im Unternehmen, nachdem er schon am 1. Januar 1895 Einzelprokura erhalten hatte.
Freytag und der Deutsche Beton Verein
Conrad Freytag und der Deutsche Beton Verein
Am 5. Dezember 1898 wurde in Berlin der Deutsche Betonverein gegründet, zu dessen Gründungsmitgliedern selbstverständlich auch Conrad Freytag zählte. Bis 1905 gehörte er dem Vorstand des DBV an, 1919 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.
1904 formulierte der DBV die „Vorläufigen Leitsätze für die Vorbereitung, Ausführung und Prüfung von Eisenbetonbauten“. Durch einen Erlass des preußischen Ministers für öffentliche Arbeiten wurden diese Leitsätze am 16. April 1904 verpflichtende Bestimmungen.
1907 gründeten der DBV und der Deutsche Architekten- und Ingenieurverband DAI den Deutschen Ausschuss für Eisenbeton. Dieser verabschiedete am 24. Mai 1907 die „Bestimmungen für die Ausführung von Konstruktionen aus Eisenbeton bei Hochbauten“. Am 13. Januar 1916 folgten die „Bestimmungen für die Ausführungen von Bauwerken aus Beton“ und am 9. September 1925 die „Bestimmungen des Deutschen Ausschusses für Eisenbeton“ als Erlass des preußischen Ministers für Volkswohlfahrt.
1943 wurde „Eisenbeton“ durch den zutreffenderen Begriff „Stahlbeton“ ersetzt.
Bogenbrücke über die Isar
Bogenbrücke über die Isar
Frühes Beispiel einer ästhetischen Bogenbrücke
Am 12. August 1903 hatten die Firmen Wayss & Freytag und Heilmann & Littmann in München die Eisenbeton GmbH gegründet und zu deren Geschäftsführer Ludwig Zöllner bestellt. Unter dessen Leitung wurden in München und einem Umkreis von 30 km einige bemerkenswerte Brücken errichtet.
Ein schönes Beispiel ist die elegante zweifeldrige Brücke über die Isar bei der Isarlust in München nahe dem Maximilianeum, die 1898 fertiggestellt wurde. Die Spannweiten der beiden Bögen betragen je 37,50 m. Da die Bögen sehr flach ausgebildet sind (Korbbögen), verlaufen die resultierenden Kräfte nicht im Kern des Gewölbes, sodass Stahleinlagen die unvermeidlichen Zugkräfte aufnehmen müssen. Bemerkenswert ist, dass 1898 weder umfassende Erkenntnisse noch Vorschriften für den Bau von Stahlbetonbrücken vorlagen.
Erster Wolkenkratzer in Buenos Aires
Erster Wolkenkratzer in Buenos Aires
Neustadt und die weite Welt
Vom Kesselhaus in Pernau zum ersten Wolkenkratzer in Buenos Aires
Nachdem Wayss & Freytag aufgrund der großen Nachfrage nach Stahlbetonbauten weitere Niederlassungen in Straßburg, Frankfurt und Düsseldorf gegründet hatte, folgten ab 1899 die ersten Auslandstätigkeiten und zwar zunächst in Russland. 1899 wurde in Pernau ein Kesselhaus mit Kohlebunker für die Zellstofffabrik Waldhof gebaut, anschließend verschiedene Brücken in Jekaterinoslaw. Die erste Auslandsniederlassung gründete W&F 1903 in Riga, 1909 folgte eine Niederlassung in Petersburg. Dort wurde 1912 auf eigene Rechnung das Hotel „Astoria“ errichtet und unter eigener Regie in Betrieb genommen – das erste PPP-Modell in der Firmengeschichte.
1907 wurde mit dem österreichischen Bauingenieur Ritter von Meinong eine Tochtergesellschaft in Innsbruck gegründet, die auf dem Gebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Balkan tätig wurde. Niederlassungen folgten in Sarajewo und Triest. In Genua war der Hauptsitz der ebenfalls 1907 ins Leben gerufenen italienischen Tochtergesellschaft Società Anonima Italiana Ferrobeton Systema Wayss & Freytag mit Niederlassungen in Mailand, Rom, Neapel, Messina und Palermo.
1909 erhielt W&F den ersten Überseeauftrag in Buenos Aires; die Herstellung von „Eisenbeton nach deutscher Weise“ erregte in Argentinien großes Aufsehen. Mit der Caja Internacional Mutua de Pensiones errichtete W&F das größte Mietshaus Südamerikas und mit 100 m Höhe den ersten Wolkenkratzer in Buenos Aires.
Das Lagerhaus in Strassburg
Das Lagerhaus in Strassburg
In einem Guss aus Stahlbeton
Der Franzose François Hennebique (1842 – 1921) war der erste Unternehmer, der die Monierbauweise monolithisch auf ganze Hochbauten angewandt hat. Durch die Ausführung von Plattenbalkendecken mit biegefest verbundenen Stützen revolutionierte er die Stahlbetonbauweise. Obwohl ohne technische Vorbildung, sieht man von einer Lehre als Steinmetz ab, tat sich Hennebique als großartiger Konstrukteur hervor, dessen Bauwerke sich durch ungewöhnliche Kühnheit auszeichneten.
Da es zwischen ihm und G. A. Wayss zu keiner Einigung über eine Zusammenarbeit gekommen war, wurde die Entwicklung der monolithischen Bauweise durch Wayss & Freytag unabhängig vorgenommen. Falsche Rechenansätze und Konstruktionsmängel wurden schnell behoben, sodass 1899 nach verschiedenen kleineren Bauvorhaben mit dem Neubau des städtischen achtgeschossigen Lagerhauses im Rheinhafen von Straßburg das erste große monolithische Stahlbetongebäude realisiert werden konnte. Der Auftrag für den Rohbau war gegen den deutschen Lizenznehmer Hennebiques, der Firma Züblin, im Wettbewerb gewonnen und in nur vier Monaten Bauzeit ausgeführt worden. Die Kostenersparnis gegenüber der damals üblichen Bauweise mit Stahlträgern und –stützen betrug 30%. Tragwerksplanung und Bauleitung lagen in den Händen des herausragenden Ludwig Zöllner.