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AB 1910

Internationalität

Schon früh reichten die Aktivitäten des Unternehmens über die Pfalz hinaus. Zwölf Niederlassungen gibt es um 1910 in Deutschland. Bereits 1903 wurde die erste Auslandsniederlassung in Riga gegründet. Es folgten weitere Firmensitze in Luxemburg, Straßburg, Wien, Innsbruck, Rom, Mailand, Triest, Genua, Neapel, Budapest, Messina, Sarajevo, St. Petersburg, Buenos-Aires.


1911
Tradition Schornsteinbau

Tradition Schornsteinbau

Gemauert, geklettert und geglitten

Die lange Tradition des Schornsteinbaues hat bei Wayss & Freytag ihren Ursprung im Jahre 1911. Allerdings wurden diese Schornsteine bis 1929 mangels geeigneter Schalungssysteme noch mit Formsteinen hochgemauert – bis in 124 m Höhe.

Erste Berechnungsverfahren für den Schornsteinbau gehen auf Emil Mörsch und Karl Deininger zurück, beide für viele Jahre Leiter des Technischen Büros, wie es heute heisst, und später Professoren an der Technischen Hochschule in Stuttgart.

1911
Das Hotel IMPERIAL in Karlsbad

Das Hotel IMPERIAL in Karlsbad

Erstes „Private Public Partnership“

Das 1911 nach eineinhalb Jahren Bauzeit durch die Wayss & Freytag AG schlüsselfertig hergestellte Hotel IMPERIAL in Karlsbad ist noch heute als ««««Hotel in Betrieb. Es liegt auf einer die Stadt nach Süden zu abschließenden Bergkuppe. Da sich das Erdgeschoss etwa 8 m unter Gelände befindet, mussten vor Baubeginn 25.000 m³ Granit gesprengt werden.

Bei Fertigstellung verfügte das Hotel über 264 vermietbare Zimmer mit 400 Betten und 88 Badezimmern (heute: 219 Zimmer mit Bad und 405 Betten), sowie mehreren Gesellschaftsräumen und einer eigenen Post. Damals dem neuesten Stand der Technik entsprechend, hatte jedes Zimmer eine Kalt- und Warmwasserversorgung und eine Niederdruckdampfheizung. Größten Wert legte man auf ein Höchstmaß an Schalldämmung, im Gegensatz zu manchem „modernen“ Hotelbau. Da dem Bauherrn, einem englischen Lord, die finanziellen Mittel während der Bauzeit ausgegangen waren, stellte W&F das Hotel auf eigene Kosten fertig und nahm es anschließend auch in Betrieb.

Auch heute noch bietet das Kurhotel IMPERIAL einen atemberaubenden Blick über Karlsbad und dominiert die Stadt durch seine exponierte Lage und Größe.

1914
Erster Stahlbeton-Skelettbau in Dresden

Erster Stahlbeton-Skelettbau in Dresden

Der „Erlweinspeicher“

In den Jahren 1913 und 1914 errichtete Wayss & Freytag am Elbufer den Erlweinspeicher, ein großes Lagerhaus für Tabak- und Baumwolle im alten Packhofviertel. Der vom Architekten und damaligen Stadtrat Hans Erlwein (1872 – 1914) entworfene städtische Speicher war der erste Stahlbeton-Skelettbau in Dresden. Die feierliche Übergabe an die Stadt erfolgte nach nur 15 Monaten Bauzeit am 19. Juni 1914.

Auf dem Gelände an der Devrientstraße waren seit 1890 mehrere Speicher- und Lagerhäuser errichtet worden. Der Erlweinspeicher dominiert aufgrund seiner Größe das Stadtbild am Rande des historischen Stadtkerns bis auf den heutigen Tag. Das Gebäude ist immerhin 76 m lang, 36 m breit und bis zur Dachfirste 39,50 m hoch und verfügt über eine Nutzfläche von rund 20.000 m². Der Bau besticht durch seine klare Gliederung und Zweckmäßigkeit und ein originell gestaltetes Dach. Seit Mai 2006 ist nach Umbauten, aber unter Beibehaltung der historischen Fassade, in dem ehemaligen Speichergebäude das Kongresshotel MARITIM untergebracht.

1921
Conrad Freytag stirbt

Conrad Freytag stirbt

Letzte Ruhestätte in Neustadt an der Haardt

Conrad Freytag war wegen seines offenen Charakters nicht nur bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Unternehmens sehr beliebt, sondern auch in seiner Heimatstadt Neustadt a. d. Haardt, deren Stadtrat er von 1895 bis 1920 angehörte. Aufgrund seiner Verdienste um den Eisenbeton erhielt er 1905 vom bayrischen Prinzregenten den Titel „Kommerzienrat“. Am 7. August 1916, seinem 70. Geburtstag, ernannte ihn Neustadt zum Ehrenbürger. Im Frühjahr 1918 verlieh ihm die Technische Hochschule Darmstadt wegen seiner Verdienste um die Entwicklung des Eisenbetonbaus die Würde eines Dr.-Ing. e.h.

Der unermüdliche und rastlose Einsatz für das Unternehmen waren an Conrad Freytag nicht spurlos vorübergegangen. Nachdem er ernsthafte gesundheitliche Beschwerden bekommen hatte, musste er von Neustadt nach Wiesbaden übersiedeln, um sich dort einer dauerhaften ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Am 27. August 1920 fand in Neustadt die Abschiedsfeier für ihn statt, bei der er sich noch einmal der großen Verehrung und Zuneigung seiner Firmenangehörigen bewusst sein durfte.

In Wiesbaden unterzog sich Conrad Freytag schmerzhafter Kuren, ohne dass sich seine angegriffene Gesundheit verbesserte. Trotz des geschwächten Körpers war sein Verstand bis zum letzten Atemzug scharf wie eh und je geblieben.  Am 2. Juli 1921 verstarb er nach langer Krankheit. Nach der Einäscherung in Mainz fand Conrad Freytag seine letzte Ruhestätte im Mausoleum der Familie Freytag in Neustadt an der Haardt.

1925
Waldstadion Frankfurt

Waldstadion Frankfurt

Vom Militärschiessplatz zur Sportarena

Am 25. August 1921 hatte die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung den Bau des Waldstadions auf dem Gelände des alten Militärschießplatzes beschlossen. Das von der Wayss & Freytag AG gebaute Stadion wurde am 21. Mai 1925 eröffnet. Das 120 m lange Tribünen- und Verwaltungsgebäude war einer antiken griechischen Theaterarena nachempfunden. Die umlaufenden Ränge boten insgesamt 37.000 Zuschauern Platz.

Als erstes großes überregionales Sportereignis fand am 7. Juni 1925 im Waldstadion das Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft statt, das der heimische FSV Frankfurt mit 0 : 1 knapp gegen den Titelverteidiger 1. FC Nürnberg verlor. Vom 24. – 28. Juli 1925 folgte die Ausrichtung der „Internationalen Arbeiterolympiade“, die als Gegenpol zur auch damals schon kommerziell umstrittenen Olympiade gedacht war.

1925
Umzug der Hauptverwaltung nach Frankfurt am Main

Umzug der Hauptverwaltung nach Frankfurt am Main

Von der Pfalz nach Hessen

Nachdem die Pfalz nach verlorenem 1. Weltkrieg durch die Besatzung politisch vom Deutschen Reich abgekoppelt und zur Westmark erklärt worden war, beschloss die außerordentliche Generalversammlung der Wayss & Freytag AG am 2. Februar 1923, den Hauptsitz der Gesellschaft von Neustadt an der Haardt nach Frankfurt am Main zu verlegen. Die von den Besatzungsbehörden in der Pfalz errichteten Zollschranken, verbunden mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit und Stilllegung des Schienenverkehrs, sowie der Verlust wichtiger Geschäftsfelder durch Abtretung des Saarlandes und nach Vereinnahmung von Elsass-Lothringen durch Frankreich, waren Veranlassung für den geplanten Schritt, in das freie Frankfurt überzusiedeln.

Im Frühjahr 1924 wurde ein geeignetes Firmengelände an der Wilhelmsbrücke, Ecke Wilhelmstraße und Schaumannkai, gefunden und mit dem Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes begonnen. Für die vom Umzug betroffenen Angestellten war es infolge der Wohnungszwangswirtschaft nicht möglich, Mietwohnungen zu finden. So musste ein eigenes Wohngebäude in der Waidmannstraße errichtet werden.

Der Umzug der Hauptverwaltung fand in der zweiten Hälfte 1925 statt, nachdem auf der Generalversammlung am 19. Mai 1925 ein überaus positiver Jahresabschluss für 1924 vorgelegt werden konnte.

1928
Die Großmarkthalle ist Frankfurts größtes Gebäude

Die Großmarkthalle ist Frankfurts größtes Gebäude

Gemieskerch im Ostend

Die Großmarkthalle in Frankfurt am Main, im Volksmund liebevoll Gemieskerch genannt, wurde von 1926 – 1928 in Arbeitsgemeinschaft hergestellt und am 25. Oktober 1928 eingeweiht. Der gesamte Komplex im Frankfurter Ostend war mit rund 13000 m² Grundfläche seinerzeit das größte Gebäude Frankfurts.

Die 200 m lange und 50 m breite Halle ist mit Tonnengewölben überdacht, die bei Einzelspannweiten von 14,10 m lediglich 7 cm dick sind. Wayss & Freytag hatte in Deutschland als Pionier der Stahlbetonbauweise bereits vorher solch dünne Schalen mit Erfolg ausgeführt.

Am 4. Juni 2004 wurde die von dem Architekten Martin Elsässer (1884 – 1957), von 1925 bis 1932 Leiter der Hochbauabteilung der Stadt Frankfurt/Main, entworfene Großmarkthalle geschlossen und der Großmarkt nach Kalbach-Riedberg verlegt. Das seit 1984 unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist seit dem 1. Januar 2005 im Besitz der Europäischen Zentralbank, dort seit 2015 ihren Sitz hat.

1929
Die Kletterschalung revolutioniert den Schornsteinbau

Die Kletterschalung revolutioniert den Schornsteinbau

Innovativ und wirtschaftlich

1929 wurde mit der nun wirtschaftlich einsetzbaren Kletterschalung der Schornsteinbau revolutioniert. Gleich im ersten Jahr hat die Wayss & Freytag Ingenieurbau AG vier solcher monolithischer Schornsteine gebaut, unter anderem für das Kraftwerk Schwandorf.

Die Kletterschalung hat bei der Herstellung konischer Stahlbetonschäfte deutliche Vorteile gegenüber dem konventionellen gemauerten Schornsteinbau:

  • Das Schalungssystem ist in hohem Maße bezüglich der an Fuß und Kopf unterschiedlichen Schaftdurchmesser anpassungsfähig.
  • Es besteht keine Begrenzung in der Schornsteinhöhe.
  • Die Betonoberfläche verfügt über eine dichte Struktur.
  • Einbauteile können punktgenau eingesetzt werden.
  • Die Arbeiten am Schornstein können bei Bedarf unterbrochen werden.

Das von W&F verwendete Schalungssystem wurde 50 Jahre mit Erfolg eingesetzt. In diesem Zeitraum hat Wayss & Freytag über 160 Schornsteine bis zu 235 m Höhe mit diesem System erfolgreich ausgeführt, ebenso Fernmeldetürme in Stuttgart, Dortmund, Hamburg, Koblenz, Frankfurt und Nürnberg sowie zahlreiche kleinere Typentürme für die Deutsche Bundespost.

1934
Prof. Mautner erwirbt für W&F die Generallizenz

Prof. Mautner erwirbt für W&F die Generallizenz

Freyssinet und die Vorspannung

Eugene Freyssinet (1879 – 1962), der an der Ecole Nationale des Ponts et des Chaussées in Paris studiert hatte, gilt allgemein als der Erfinder der Spannbetonbauweise. Zwar hatten schon 1886 ein gewisser P. H. Jackson in den USA ein erstes Patent angemeldet und 1888 W. Döhring in Berlin, die entscheidende Erkenntnis der Ursache und Behebung der enormen Spannkraftverluste aber hatte Freyssinet. Durch Verwendung hochfester Stähle konnte er die Spannkraftverluste infolge Kriechen und Schwinden des Betons und der Relaxation des Spannstahles soweit kompensieren, dass das Verfahren wirtschaftlich wurde.

1928 meldete Freyssinet seine Vorspannung mit Druckspannungen von 400 N/mm² in Frankreich unter dem Titel „Herstellungsverfahren für Stahlbetonkomponenten“ an. Den Begriff „Vorspannung“ wählte er erstmalig 1932. Prof. Karl Walter Mautner, bis 1933 im Vorstand von W&F tätig, erwarb 1934 für Wayss & Freytag die Generallizenz für das Spannsystem Freyssinet, dies war die Geburtsstunde des Spannbetons in Deutschland. 1935 führte W&F den Terminus „Spannbeton“ in Deutschland ein und untermauerte durch umfangreiche Versuche an Spannbetonbalken die Wirksamkeit der neuen Bauweise.

1938
Erster Bau eines hyperbolischen Naturzugkühlturmes in Deutschland

Erster Bau eines hyperbolischen Naturzugkühlturmes in Deutschland

Espenhain bei Leipzig

Wayss & Freytag hat 1938 gemeinsam mit der Maschinenbaufirma Balcke, Bochum, den hyperbolischen Naturzugkühlturm in Deutschland eingeführt. Nach dem Bau des Großkraftwerkes Espenhain bei Leipzig wurden bis Kriegsende 20 weitere Türme dieser Bauart mit Leistungen bis zu 12.000 m³/h in Mitteldeutschland errichtet. Diese Tradition wurde 1948 mit dem ersten Turm nach dem 2. Weltkrieg in Gelsenkirchen für die Zeche Wilhelmine Victoria fortgesetzt und hat sich bis zum heutigen Tag als Schlüsselkompetenz erhalten.

Bei den hyperbolischen Kühltürmen, deren Bauweise nie unmodern geworden ist – siehe Kraftwerk Datteln – besitzt die Schlotwand die Form eines Rotationshyperboloids. Sie ist für die Lastfälle Eigengewicht, Wind und Wärmespannungen zu berechnen, wobei der Lastfall Temperatur für die Bemessung maßgebend ist. Die Kühlturmschale lagert auf Schrägstützen, die ein Maximum an Durchlüftung gewährleisten.

Um eine formtreue Schalung für die Schlotwände zu erzielen, bedarf es einer großen Genauigkeit und vor allem einer standfesten Rüstung. Im besonderen Maße sind auch die Betontechnologen unseres Hauses gefragt, da die Wände wasserdicht und säureresistent hergestellt werden müssen.

1938
Die erste deutsche Brücke mit vorgespannten Fertigteilträgern

Die erste deutsche Brücke mit vorgespannten Fertigteilträgern

Hesseler Weg bei Oelde in Westfalen

1938 baute Wayss & Freytag die Brücke Hesseler Weg bei Oelde in Westfalen. Sie war die erste Brücke in Deutschland mit vorgespannten Fertigteilträgern nach dem Patent von Eugene Freyssinet.

Die Plattenbalkenbrücke überquerte bis 2012 die A2 mit einer Spannweite von 33 m; sie galt als Meilenstein in Deutschland und Europa, weil sie den Durchbruch des Spannbetons im Brückenbau bedeutete. Der eigentliche Siegeszug des Spannbetons in Deutschland begann kriegsbedingt allerdings erst in den 50er Jahren.

Nachdem die Brücke einen jahrzehntelangen treuen Dienst erwiesen hat, musste sie ersetzt werden. Deswegen steht sie heute als technisches Denkmal auf dem Rastplatz Vellern, direkt an der A2, und kann von Interessierten besichtigt werden.

Weitere Daten:

  • 6,40 m Überbaubreite
  • 1,87 m Überbauhöhe
  • Tragwerksplanung: Gotthard Franz

Die Brücke als Baudenkmal auf dem Rastplatz Vellern